Samstag, 16. April 2011

Das toskanische Lebensgefühl

Ich wurde gerade an eine wunderschöne Reise in die Toskana erinnert und finde diese einen würdigen ersten Blogeintrag wert.



Bereits auf der Anreise dürfte möglicherweise der eine oder andere großstädtische Monk einen Kulturschock bekommen. Zumindest habe ich mir das so vorgestellt, als es über äußerst abenteuerliche Wege sehr bewegt durch die Landschaft ging. Es ist absolut zu empfehlen, ein ausreichend gedämpftes Geländeauto zu fahren, denn die Straßen sind sehr holprig. Aber dann, dann sieht man aus dem Fenster, alles fällt von einem ab und man vergisst plötzlich das Geschaukel und Gehüpfe des Fahrzeugs. 

Denn es ist wunderschön. Es ist einfach nur faszinierend.





Es ist eine komplett andere Art zu leben, ein eigenes Lebensgefühl. Mit nichts zu vergleichen, was ich je zuvor gesehen habe. Und ich habe auf dieser Reise sehr viele meiner Werte überdacht. Werte, die ich bis dato als felsenfest erlebt habe.

Es ist meiner Meinung nach so, dass man die Werte als korrekt übernimmt, die man kennt. Die einem beigebracht wurden, die man vorgelebt bekommen hat. Aber in der Toskana laufen die Uhren einfach anders. Gründlich anders, und nach kurzer Umgewöhnung habe ich das sagenhaft und großartig gefunden.

Schnell bekommt man dort einfach gar nichts. Geht nicht. Ginge vielleicht schon, aber wozu? Es hat alles etwas Zeit, es geht ruhig ab, gemütlich, man lässt sich nicht stressen. Ein sehr gutes Beispiel dafür war der Gastwirt, der mit einem Gläschen Wein im schattigen Gastgarten saß, vor sich Papiere und einen Kugelschreiber. Als ich ihn fragte, was er macht, meinte er "Bookkeeping" (Buchhaltung) :D

Ja, so geht es auch. Hierzulande ist die Wahrscheinlichkeit, jemanden so gemütlich relaxend mit diesen Dingen anzutreffen nicht wirklich hoch. Meine Überlegungen gingen sogar so weit, dass ich mal wieder über "Gibt es überhaupt richtig oder falsch?" nachzudenken begann. Es ist klar, beileibe werden nicht alle gleich sein, aber in der Toskana hat es diesen Spirit doch sehr häufig und zahlreich. Und der Italiener lebt damit sehr gut. Vielleicht sogar besser. Höchst wahrscheinlich sogar. Herzhaftes Lachen, freundliches Grüßen und Humor trifft man dort sehr oft. Entspannte Menschen noch öfter.



Das Nächste, was sich der Toskaner außer seiner Gemütlichkeit und Ruhe nicht nehmen lässt, ist die Freude an der Kulinarik. Und das kann ich gut verstehen, die Gaumenfreuden sind zahlreich und köstlich.

In einer alteingesessenen Metzgerei in Panzano traf ich auf Dario Cecchini. Sänger, Dichter und Metzgermeister aus Passion. Mozart beschallt das kleine Geschäft, ein fröhlich dröhnender Metzger steht hinter dem Verkaufspult.

Die italienischen Chianina Rinder werden nur in wenigen Provinzen gezüchtet und gelten als absolute Delikatesse. Das beste Gras, die beste Behandlung. Das "bistecca alle fiorentina", das Florentiner Steak, darf sich nur so nennen, wenn es von eben diesen Rindern stammt. Und ist dem Toskaner mindestens so heilig wie dem Österreicher sein Wiener Schnitzel. Wobei der Italiener wohl verächtlich schnauben würde, wenn man sein heiliges Rind mit irgendetwas Anderem vergleichen würde.

Legendär auch der italienische Hang zur Dramatik, der offenbar wurde, als 2001, wie ich erzählt bekam, das letzte toskanische Rind anlässlich der BSE-Zeit und eines damit verbundenen, drohenden Verbots medienwirksam zu Grabe getragen wurde. Die Trauer wurde fast zur nationalen Angelegenheit und war mit Mozarts Requiem untermalt. Als Höhepunkt wurden die besten Stücke öffentlich versteigert.



Ruhe, Gemächlichkeit, Dramatik zum richtigen Zeitpunkt und mit Leidenschaft gerne, Kulinarik... ja, und Rotwein. Der ist mir irgendwann ein eigenes Kapitel wert. 

Wären es wenige Schlagworte, die ich zu dieser Reise wählen müsste, dann wohl diese.

Ich habe viel überdacht, viel erlebt, viele neue Anregungen erhalten und wohl auch ein klein wenig dieser Philosophie mit mir nach Hause genommen. Die Toskana ist absolut eine Reise wert - wenn man Lust dazu hat, flexibel zu sein und seine Werte nicht als unerschütterliche Maßeinheit vor sich her zu tragen.

2 Kommentare:

  1. Hallo Nane,
    ich freu mich jetzt richtig auf unseren Toskanaurlaub, nachdem ich deinen Bericht gelesen habe.
    Letzte Woche beschlossen wir nämlich unseren ersten langen Urlaub dort zu verbringen, wenns unsere Mietze mal nicht mehr gibt. Tja, mit Katzen ist Urlaub leider nicht möglich, ... aber irgendwann...
    LG Suserl

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  2. Hallo Suserl,
    ich freu mich, dass mein Text dich positiv auf den Urlaub einstimmen konnte. Und ich wünsche dir eine wunderschöne Zeit - es ist wirklich traumhaft da :-)
    Lg,
    Nane

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